Dokumentarfilm, 70 Min., Deutschland/Japan/Südafrika, 2019
von Stefanie Landgraf und Johannes Gulde
Über den Zeitraum von einem Jahr erzählt der Film die Geschichte des modernen Musiktheaters This New Ocean - von der ersten Proben-Minute im Münchner Gasteig bis zur überschwänglich gefeierten Welturaufführung im Cuvilliés-Theater und der Afrikapremiere im Soweto Theatre in Soweto / Johannesburg. This New Ocean: Eine Zeitreise durch die Menschheitsgeschichte und ihre Kulturen, gespielt von einem Ensemble von Flugbegleiterinnen, Flugbegleitern und Piloten aus Afrika, Asien und Europa. Ihnen trauten der Regisseur Björn Potulski und die Komponistin Nélida Béjar zu, "die Erfahrung von Globalisierung auf der Bühne zu repräsentieren". Sie stehen sinnbildlich für das "Grenzüberschreitende", für die "Entdeckung neuer Horizonte", für den langen Weg der Menschheit von der mythischen Sintflut bis zur globalen Wirklichkeit unserer Tage.
"Die Grundidee war", so Potulski, "dass wir an Wochenenden die Besetzungsmitglieder aus den drei Kontinenten zum Proben zusammenbringen - und am nächsten Tag verteilt sich das Ensemble wieder buchstäblich über die ganze Welt, um sich eine Woche später wieder in München zur Probe zu versammeln..." Dienstpläne und Bodenzeiten der Airline-Mitarbeiter aus Afrika, Europa und Asien mussten miteinander koordiniert werden, um gemeinsame Proben in München zu ermöglichen.
Nélida Béjar: "Wir wußten überhaupt nicht, was das für eine Mischung wird. Vor allem wie sie zueinander finden, wie sich die Gruppendynamik entwickelt...schon bei der ersten Vorstellungsrunde gab es ein paar Überraschungen, z.B. dass Yoko (Flugbegleiterin/ANA), die dann unsere Sopran–Solistin wurde, eben Gesang studiert hat. Damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet... Jan Kolmar (Purser/Lufthansa), der den Counter–Tenor singt, auch studiert...und das Tolle war bei der ersten Probe, wie die Gruppe zueinander gefunden hat."
Die Proben und Aufführungen von This New Ocean im Soweto Theatre in Johannesburg werden für den deutschen Piloten Fabian Duschl und für die Japanerin Yoko Yamaguchi zu einer neuen und unerwartet emotionalen Erfahrung. In Soweto findet das Thema Globalisierung nicht mehr nur auf der Bühne statt, sondern in der "Realität" der südafrikanischen Gesellschaft. Begleitet von Monggie Thlapane passieren sie Elendsviertel ohne Strom und Wasser. "Hier leben zur Zeit vor allem Flüchtlinge aus Mozambique, Kongo, Nigeria, Irak...für uns in Soweto nicht einfach...aber wir wissen, was es bedeutet, aus seiner Heimat fliehen zu müssen...deshalb nehmen wir sie hier auf..."
Im Hintergrund der Aufführung der "Chor", die mahnende "Stimme des Schöpfers". Denn mit der Kontrolle über das Feuer hat der Mensch begonnen, um Besitz und Macht zu kämpfen. Und so spielen sie im Stück auch ihre Rollen von "Macht und Ohnmacht, König und Bauer, Richter und Bettler", angelehnt an Pedro Calderóns "Gran teatro del mundo". Aber - ob Afrikaner, Asiate oder Europäer, ob arm oder reich, ob mächtig oder versklavt, am Ende fordert der "Schöpfer" (Chor) von jedem Rechenschaft über sein Tun, unabhängig von Status, Hautfarbe und Kultur.
Auf die Frage von Yoko, wie sie es geschafft hat, Stewardess zu werden, erzählt Monggie über den langen Kampf um Gleichberechtigung in Südafrika - über den gesellschaftlichen und kulturellen Widerstand gegen die Apartheit, in dem sie aufgewachsen ist.
"Du siehst auf dem Bild Mbuisa, der in seinen Armen einen Jungen trägt, Hector Petersen...das war 1976 – der Aufstand in Soweto – als die Studenten und Schulkinder sich versammelten und das Ende der Apartheit forderten...Hector wurde erschossen, aber nicht nur er. An diesem Tag wurden über 600 Schulkinder getötet...Ich lass da nicht mehr alles an mich ran – die Erinnerung öffnet dann wieder alte Wunden..."
Fabian: "wenn das alles nicht passiert wäre, gäbe es auch nicht unsere Oper, wir würden auch nicht gemeinsam hier stehen"
Monggie: "Wir würden ohne diesen Aufstand nicht hier stehen... das ist der Grund warum This New Ocean für mich so viel bedeutet – es hat uns zusammen gebracht"
Im Gespräch mit Fabian und Yoko verbindet Monggei ihre eigene Geschichte mit dem Schluss des dritten Aktes der Oper. "Meine Mutter sagte immer: die Farbe des Blutes in jedem Menschen ist rot. Wir kommen alle gleich auf die Welt und wir verlassen sie alle auf gleiche Weise... "There is still a lot of work to be done – not only in South-Africa. And through This New Ocean this dream can taken further on"