Auf der Suche nach Marguerite

Ein Frauenschicksal in Rwanda

Streusiedlungen im "Land der tausend Hügel"
Marguerite Niyonambasa
und die Frauengruppe am Hügel von Karara
Marguerite (Oben links) im Flüchtlingslager in Goma / DR Kongo
Gleich nach dem Krieg arbeiten die Frauen wieder gemeinsam weiter

Über ein Jahrzehnt begleiten wir das Leben von Marguerite Niyonambasa, ihrem Mann und ihren 5 Kindern am Hügel Karama im Südosten Ruandas. Beide Bevölkerungsgruppen, Hutu und Tutsi, leben dort seit Generationen als Bauern in Hügelgemeinschaften zusammen. Das Rückrat dieser Solidargemeinschaft sind die Frauen Sie organisieren gemeinsam den Lebensalltag, sind für den Feldanbau verantwortlich, sorgen für Haus und Hof und erziehen die Kinder. Mit einzigartigen, jahrhunderte alten Bräuchen regelt die Frauengruppe am Hügel ihre sozialen und familiären Belange, helfen sich gegenseitig bei Schwerstarbeiten, lernen gemeinsam Lesen und Schreiben und bauen auf Gemeinschaftsfeldern ihr Gemüse.

1994 bricht unser Kontakt zu Marguerite und der Frauengruppe ab - in Ruanda herrscht Krieg. Bilder des Grauens erreichen uns in Deutschland. In einem Völkermord schlachtet das Hutu-Regime Tutsi und Hutu-Oppositionelle ab. Eine Million Menschen werden ermordet, über zwei Millionen flüchten in die Nachbarstaaten.

Dann, ein Jahr später, 1995, fahren wir wieder nach Ruanda. Wir haben keine Nachricht von Marguerite. In einigen Regionen gibt es immer noch Kämpfe zwischen der neuen Tutsi-Regierung und alten Hutu-Verbänden. Unterwegs überall Spuren des Kriegs - und am anderen Ende des Kivu-Sees, in Zaire, noch immer die Zeltlager der Flüchtlinge.
In Karama: Marguerite ist nicht da, ihr Haus leer. Die Frauen, die den Krieg überlebt haben, sind auf den Hügel zurückgekehrt. Sie erzählen, dass Marguerite mit ihrer Familie nach Zaire geflohen und als einzige noch nicht zurückgekehrt ist. Zwei Frauen aus der Gruppe wurden getötet, alle haben sie Angehörige verloren. Weil Geld fehlt helfen sie sich gegenseitig mehr denn je.

1998 erfahren wir, dass Marguerite überlebt hat und mit ihren Kindern nach Karera zurückgekehrt ist. Wir fahren wieder nach Ruanda. Am Hügel Karama hat sich vieles verändert. Eine große Siedlung ist entstanden, Teil eines Entwicklungsprogrammes der neuen Regierung und Beginn der Zerstörung der traditionellen Streusiedlungen. Die Familien am Hügel werden gezwungen, ihre kleinen Gehöfte zu verlassen. Auch Marguerite musste in die neue Siedlung ziehen.

Trotz dieser Belastungen engagieren sich die Frauen von Karera wieder wie vor dem Krieg für die gesamte Gemeinde. Einige haben ehrenamtliche Aufgaben übernommen. Marguerite klärt jetzt als Gesundheitsberaterin ihre Nachbarn über Aids auf und hilft ihnen in Fragen der Ernährung und Hygiene. Große Zukunftspläne schmieden Marguerite und die anderen Frauen nicht - auch jetzt, noch Jahre nach dem Krieg, geht es erst einmal ums Überleben.

Film von Stefanie Landgraf und Johannes Gulde, 56 Minuten
Produktion: BR/3sat, Terra Media Corp.

 siehe auch: Filme für die Bildungsarbeit: Alltag im Kriegs- und Krisengebiet

 

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