Flucht vor dem Krieg

Mädchenschicksale im Kongo

(24 Minuten)

Marléne, 12 Jahre, quälen immer noch die Bilder der vielen Toten
Als Binnenflüchtlinge muss die Familie um jede Mahlzeit kämpfen
Marléne im Unterricht...
...in einer zerstörten Kirche
Yvette, 15 Jahre, erzählt ihre Leidensgeschichte...
...der Sozialarbeiterin Jemima

In der Öffentlichkeit fällt der Blick meist auf Flüchtlinge, die in einem anderen Land Zuflucht suchen. Wenig Beachtung finden hingegen die Menschen, die aus ihren Dörfern vertrieben, im eigenen Land als Flüchtlinge leben müssen. Die meisten Vertriebenen, zurzeit etwa 20 bis 25 Millionen, bleiben innerhalb der Grenzen ihres Nationalstaates, haben aber als Binnenvertriebene oder Internally Displaced Persons (IDP) kein Recht auf internationalen Schutz. Der Film dokumentiert das bewegende Flüchtlingsschicksal zweier junger Mädchen in der DR Kongo. 

Marlène ist 12 Jahre alt. Zwei Jahre lang ist sie mit ihren Eltern und sechs Geschwistern quer durch die Kampfgebiete in Ostkongo geflüchtet, musste sich vor den Milizen immer wieder in den Wäldern verstecken. Wurzeln und Beeren waren dann oft ihre einzige Nahrung. Auf der Suche nach Essbarem kehrte ihr Vater eines Tages nicht mehr zurück. Er gilt bis heute als vermisst. Ihre Flucht endete vor einigen Monaten in Kananga, in Zentralkongo. Bis auf die Kleider, die sie auf dem Leib trugen, hat die Familie alles verloren, lebt jetzt notdürftig in einem kleinen Zwei-Zimmerhäuschen zur Untermiete. Vergeblich versucht Marlène's Mutter irgendeine Arbeit zu finden. So ist sie froh, wenn sie gerade mal eine Mahlzeit pro Tag für die Familie zubereiten kann.

Jemima Tshiala Odia kommt zu Besuch. Sie ist Sozialarbeiterin bei der internationalen Kinderrechtsorganisation „KIRA – Kinderrechte Afrika“ (ehemals BICE - Deutschland). Gemeinsam überlegen sie, wie die Familie wirtschaftlich wieder auf eigene Füße kommen kann. Dafür vergibt KIRA Kleinkredite, die Flüchtlinge - weil völlig mittellos - von keiner Seite sonst erhalten.

Wir treffen die 15jährige Yvette, erfahren, dass sie vier Jahre lang auf der Flucht war, ihre zwei Geschwister, ihre Großmutter und zuletzt ihre Mutter dabei umgekommen sind. Ihr Vater wurde schon am ersten Tag von Milizen getötet. Seit sechs Monaten lebt sie in einem Waisenhaus der "Soeurs des Pauvres". Anfangs war Yvette nicht in der Lage, mit ihren Betreuern zu reden. Sie schaute sie nicht an, redete kaum hörbar und als sie nach ihrer Mutter gefragt wurde, senkte sie den Kopf und schwieg. Sie war den Tränen nahe, aber weinen konnte sie nicht. Inzwischen geht Yvette zur Schule, hat gute Kontakte zu Gleichaltrigen geknüpft, beteiligt sich an den gemeinsamen Aktivitäten und häuslichen Pflichten im Waisenhaus, wie Küchenarbeit, Wasser- und Feuerholz holen. Im Beisein ihres Therapeuten erzählt sie uns ihre Geschichte. Als sie  schildert, wie ihre Mutter vor ihren Augen vergewaltigt wurde, beginnt sie zu weinen, auch als sie über ihre eigenen Vergewaltigungen spricht, die sie über Monate erleiden musste. Kurz darauf erleben wir sie wieder im Spiel mit den anderen Kindern.

Durch die therapeutische Hilfe fassen Yvette und Marlène nach und nach wieder Vertrauen ins Leben und in die Welt der Erwachsenen. Aber das braucht Zeit und Geduld. Denn auch Marlene trägt schwer an der Last ihrer Erinnerungen. "Ich habe immer Probleme mit meinem Magen. Mein Bauch macht mir immer zu schaffen und ich weiß nicht, was ich da machen soll. Manchmal ist es so schlimm, dass die Lehrerin mich nach Hause schickt. Und zu Hause sitze ich dann da und  denke an meinen Vater. Je mehr ich an ihn denke und mich frage, wo er ist, umso mehr tut mir mein Bauch weh - dann wieder die Bilder mit den schrecklichen Toten, die wir auf unserer Flucht gesehen haben - die vielen Leichen im Busch, die Wege, die wir entlang rennen mussten. Woher die Bilder kommen, ich weiß es nicht."

Film von Stefanie Landgraf und Johannes Gulde
Redaktion: Dr. Wolf Theuring
Produktion: Terra Media Corp., FWU

 Verleih: Medienzentren, Bildstellen

Begleitheft zum Film [PDF]